Grundsätzlich gilt bei einer Einreise als Besucher (visitor visa), daß man 6 Monate im Land bleiben darf (sofern der Grenzbeamte nicht eine andere Zeit vorgibt, was er jederzeit tun kann). Nun meinen ganz Schlaue, sie fahren kurz vor Ablauf dieser 6 Monate einfach mit dem Auto in die USA, drehen um und reisen dann zurück nach Kanada und beginnen erneut 6 Monate. Mal abgesehen, daß das keine Einwanderung ist, was zu vielen Nachteilen führt, wenn man dauerhaft hier leben möchte, muss man sagen, daß das gut gehen kann, aber auch schiefgehen kann.
Das ganze Verfahren nennt sich "Flag-poling" - also quasi um die Fahnenstange herumlaufen. Und grundsätzlich ist dagegen auch gar nichts einzuwenden. Es ist vor allem nicht illegal.
Dennoch ist dieses Verfahren bei den Grenzbeamten nicht sonderlich beliebt. Die Grenzkontrolle wird von einer Behörde abgewickelt, die sich CBSA nennt. Dei Einwanderung (temporär oder pemanent) an sich aber von der Einwanderungsbehörde IRCC. Nun entsteht das Problem, daß der Grenzbeamte quasi die Aufgabe übernehmen muss. Dies zusätzlich zu den allgemein schon aufwendigen Grenzkontrollen mit unter langen Staus.
An manchen Grenzstationen gibt es daher zeitliche Beschränkungen, in denen flag-poling nicht gestattet ist. Informieren Sie sich vorher.
Natürlich sind alle Daten gespeichert und Stempel im Pass. Der Grenzbeamte sieht also, wie oft man eingereist ist. Auf legalem Wege ist eine Einreise nicht möglich, ohne das die Einreise kontrolliert wird. Es gibt kein Durchwinken wie im Schengenraum. Jeder wird kontrolliert. Auch Kanadier.
Folgendes Problem kann dann entstehen: Der Grenzbeamte hat die alleinige Entscheidungsbefugnis. Wenn er kein erneutes Besuchervisum erteilen möchte, kann er dies ablehnen. Insbesondere wenn er feststellt, dass man das Visum quasi dazu missbraucht, um mehr oder weniger permanent im Land zu bleiben. Dies kann neben weiteren Konsequenzen dazu führen, daß man zurück in die USA geschickt wird. Da steht man dann nun – möglicherweise mit seinem eigenen, in Kanada zugelassenen Auto – und darf nicht mehr zurück. Das ist erst kürzlich jemandem hier aus der Nähe passiert. Vertrauen sie nicht, daß diese Masche immer funktioniert.
Sollten Sie sich dennoch für das flag-poling entscheiden, beachten Sie bitte folgendes:
Ich empfehle Ihnen dringendst, mindestens einen (vielleicht auch mehr) Tag(e) in den USA zu verbringen, bevor Sie wieder nach Canada einreisen.
Sie könnten sonst folgendes Szenario erleben:
Teilen Sie dem US Grenzbeamten während der obligatorischen Befragung nach dem Reisezweck etc. mit, daß Sie gleich wieder zurück nach Canada wollen, wird er Ihnen die Einreise in die USA verweigern. Sie bekommen dann eine offizielle Ablehnung. Mit dieser Ablehnung laufen sie bildlich gesprochen um den US-Fahnenmast herum (daher flag-poling) und gehen zurück zum kanadischen Grenzbeamten und reisen wieder ein. Wenn alles gut geht, haben Sie nur ein Problem: Ihnen wurde die Einreise in die USA verweigert, und das bleibt in Ihren Akten. Und wann immer Sie mal in die USA reisen wollen, wird diese Ablehnung immer wieder auftauchen und Ihnen zumindest unangehme Fragen bescheren.
Der Super-GAU entsteht aber, wenn Ihnen der kanadische Grenzbeamte auch die Einreise verweigert. Dann stehen Sie im Niemandsland, denn die Einreise in die USA wurde verweigert und auch nach Canada können Sie nicht rein.
Viele flag-poler gehen daher schon zu Fuss z.B. über den Grenzübergang Rainbowbridge (Niagara Falls).
Daher nochmals der Rat: Verbringen Sie doch etwas Zeit in den USA und kommen Sie dann zurück. Das minimiert das Risiko erheblich.